Kriegsgerät auf der Schiene

Die Deutsche Bahn kennt nicht nur zivile Nutzung. Geregelt durch Bedarfsfahrpläne und oft durch Nachtfahrten unsichtbar werden Militärgüter bundesweit auf der Schiene transportiert. Die Bahn sieht militärische Transporte dabei als selbstverständlich an. Nur eine Regionalkonferenz gewerkschaftlich  organisierter Eisenbahner sprach sich unlängst gegen Militärtransporte aus. Denn eine mögliche Sichtweise ist: Krieg beginnt beim Zulieferern. Eine in diesem Rahmen erstellte Karte für Hamburg zeigt die große Anzahl von beliefernden Betrieben, oft perfekt angeschlossen. Wir finden, dass dies für die Bahn imageschädigend sein könnte und müsste.

Einige Anfragen aus dem Bundestag lieferten mehr Zahlen an Wissen über die Größenordnung der militärischen Nutzung von Schienenverkehr in Deutschland. Die wirtschaftliche Bedeutung der militärischen Nutzung für die Bahn ist aufgrund dessen kein Argument für sie; sie “kommt dazu” und ist kompensierbar. Die weitverbreitete Annahme, dass Rüstung unersetzliche Arbeitsplätze liefert, können wir also widerlegen, und damit auch politische und Öffentlichkeitsarbeit machen.

Beim Bau und der Ausbesserung von Straßen und auch Bahnlinien wird schon seit den neunziger Jahren wieder auf höhere Belastbarkeit geachtet, um Militärtauglichkeit sicherzustellen. Das Verteidigungsministerium beteiligt sich an dem systematischen Ausbau, um höhere eventuelle Belastbarkeit für militärische Nutzung sicherzustellen. Werkstätten wurden bunkernachgerüstet. Viele Maßnahmen könnten kostengünstiger sein, wenn sie nicht militärtauglich sein müssten. Wir müssen uns also vor Augen halten, dass Deutschland seine Infrastruktur für einen Kriegsfall vorbereitet.

Für Militärtransporte muss die Bahn außerdem Reserven zur Verfügung stellen,  während es bei der zivilen Nutzung nach technischen Ausfällen von Loks oder kranken FahrerInnen oft zu Verspätungen kommen muss- denn  Reserven wurden dafür in den letzten Jahrzehnten systematisch abgebaut. Was sagt dies für die Bedeutung in der und für die Gesellschaft?

Die deutschen Militärumschlagsgebiete auf der Schiene liegen im Ruhrgebiet und Bergen-Belsen. Besonders pervers dabei ist, dass die Verladerampe, wo früher Gefangene nach langem Transport im Viehwaggon lebend oder tot ankamen und zu tausenden auf den Marsch ins Konzentrationslager geschickt wurden,  heute für Nato Großtransporte und für die Bundeswehr intensiv genutzt wird. Im Hinblick auf die häufigen Transporte richtung Baltikum und Estland aufgrund des Rahmenvertrags für die Very High Readiness Joint Task Force Deutschlands innerhalb der NATO passt leider der alte Spruch “ Schon wieder sollen Räder für den Sieg rollen”. Diese Züge genießen außerdem Vorrang, sogar vor dem ICE. Viele verstehen die de facto Stationierung von Natotruppen an der Grenze Russlands als unnötige Provozierung – hier könnte die antimilitaristische Bewegung ansetzen.

Dass Deutschland sich als zentrale Drehschreibe für  alles, was militärisch mit oder durch NATO Partner im Nahen Osten, Afrika oder bis China halten will, passt in das Selbstverständnis  der Dominanz. International und zivil gesehen schwindet die Westeuropas Bedeutung als Schnittstelle zwischen Nord- und Südeuropas jedoch.

Wir finden dieses geopolitische und wirtschaftliche Dominanzdenken schädigend. Wir fordern eine Veränderung der Verkehrspolitik dahingehend, dass die zivile Nutzung deutlich  vorrangig und eine Grundversorgung wieder gewährleistet ist und dafür Ressourcen bereitgestellt werden,  und nicht für militärische Nutzung! Wir wollen nicht, dass Straße und Schiene militärtauglicher werden. Das geht natürlich einher mit einer Hinwendung zu gewaltfreien Methoden zur Konfliktbekämpfung auch auf internationaler Ebene. Wir wollen bekannt machen, dass unsere Brücken teuer sind, das militärtauglich und dazu in den Parlamenten auch Gegenstimmen hören. Wir wollen wissen und transparent machen, wie die Befehlsketten vom Verteidigungsministerium aus funktionieren und dafür sorgen, dass diese an Bedeutung verlieren.

In Gesprächen zu Bahn, Infrastruktur, Militär und Krieg während des  Workshops  wurde deutlich, dass viele die komplexe Verbindung zwischen Krieg und Klimakatastrophe besser kommunizieren wollen. Bis jetzt fehlt es an Information und  Kommunikation in packenden Formaten.  Damit aber könnte eine Sensibilisierung für das Thema “Bahn, Militär und Rüstung” entstehen und die Klimabewegungen  diese auch besser einbinden.