Struktur und Selbstverständnis
Die Awareness-Struktur dieses Camps wurde von einer Kleingruppe organisiert. Wir möchten gerne mit anderen gemeinsam Awareness-Arbeit auf diesem Camp machen und sind dafür auf Unterstützung von allen angewiesen. Wir laden euch ein, die Awareness-Struktur mit euren Erfahrungen zu ergänzen und euch in den Schichtplan einzutragen.
Struktur
Der Schichtplan hängt im Info-Zelt aus und geht von Dienstag bis Samstag. Die Awareness-Schichten sollen von 10 bis 13 Uhr, von 13 bis 16 Uhr und von 16 bis 19 Uhr gehen (außer Samstag während der Demo). Cis-Männer sind explizit eingeladen sich an der Awareness-Arbeit, als Teil der im Camp anfallenden Sorge-Arbeit, zu beteiligen und Schichten zu übernehmen. Im Schichtplan sind Felder mit FLINTA (Frauen, Lesben, Inter, Trans und Agender Personen) oder ALL GENDER markiert, damit trotzdem in jeder Schicht mindestens 50% des Teams FLINTA-Personen sind. Außerdem laden wir Menschen mit spezifischen Diskriminierungserfahrung wie Rassismus dazu ein, ihre Erfahrungen zu teilen und an Schichten mitzuwirken. Das kann es für Menschen mit diesen Diskriminierungserfahrungen, die Unterstützung von der Awareness brauchen, leichter machen, sich anzuvertrauen.
Eine Schicht soll immer aus mindestens 3-4 Personen bestehen, wobei in jeder Schicht eine Person aus dem Bündnis dabei ist, die das Konzept gut kennt und mögliche Schwierigkeiten weitertragen kann.
Nachts haben wir leider nicht die Kapazitäten Awareness-Arbeit zu übernehmen. Es gibt allerdings auch Nachts Menschen auf dem Camp, an die sich im Notfall gewendet werden kann und die uns erreichen können. Morgens ab 10 sind wir wieder ansprechbar.
Es gibt eine Awareness-Telefonnummer (+49 176 86700493), die an verschiedenen Orten veröffentlicht wird und ein Awareness-Zelt als Rückzugsraum.
Zu Beginn jeden Tages wird es eine Einführung in die Awarenessarbeit geben. Hier kann auch auf Beispielsituationen eingegangen werden, so dass auch Menschen, die zuvor noch keine Erfahrung mit Awarenessarbeit hatten, einen leichteren Einstieg bekommen. Wer am morgen noch nicht da ist, kann sich natürlich trotzdem gern für Schichten eintragen und wird dann später geupdated. Menschen mit Vorerfahrungen laden wir besonders ein Schichten zu übernehmen und ihr Wissen mit anderen zu teilen.
Um uns auszutauschen und die gemeinsame Arbeit zu strukturieren, haben wir uns einen Rhythmus für Austausch-/Übergabetreffen überlegt. Die Treffen finden am Awareness-Zelt zu folgenden Zeiten statt:
- Morgens 9:30 Uhr: gemeinsamer Start in den Tag (15-30 Minuten)
Für wen: ALLE[1] die den Tag über Awareness-Schichten machen + Kernteam
Inhalt: Kennenlernen & wie geht’s, Einführung in Struktur, was ist (heute) wichtig
- Abends 19:30 Uhr: Austausch & Abschluss (ca. 30 Minuten)
Für wen: mindestens 1 Person pro Schicht von dem Tag + Kernteam
Wie war der Tag, was braucht es noch, wie geht es uns.
Verhalten während einer Awareness-Schicht
Komm nüchtern und ausgeruht zur Schicht und verzichte auch während der Schicht auf Alkohol und andere Drogen. Awareness-Arbeit kann eine herausfordernde Tätigkeit sein. Die Bedürfnisse von betroffenen Personen sind wichtig, aber vergiss darüber nicht, dich um dich selbst zu kümmern. Du müsst entscheiden, wie viel du bewältigen kannst. Es ist besser, langsam anzufangen, als sich dann plötzlich überfordert zurückzuziehen, wenn es zu viel wird.
Für die Menschen die gerade Schicht haben gibt es neonfarbende Erkennungszeichen. Wenn ihr genug seid, müssen nicht immer alle im/am Zelt sitzen. Mindestens 2 Personen sollten aber immer in Sichtweite des Zelts sein, um für Rat-suchende Menschen auffindbar zu sein.
Geh sensibel und vertraulich mit dem um, was dir im Rahmen der Awareness-Arbeit anvertraut wird. Anonymisiere alles was du eventuell zu Geschehnissen während der Schicht aufschreibst.
Lese vor deiner Schicht zur Orientierung die „Kernthesen“. Reflektier deine eigenen Privilegien und Vorannahmen. Findest du es schwierig zu glauben, dass dein(e) Genosse(n) oder dein*e Freund*in eine Person belästigt haben soll? Dann bist du gerade wahrscheinlich nicht die*der Richtige um die betroffenen Person als Teil der Awareness-Struktur zu unterstützen!
Versucht Gespräche mit betroffenen Personen zu zweit zu führen. Das gibt euch nach dem Gespräch die Möglichkeit euch über eure Eindrücke auszutauschen oder schnell Absprachen zu treffen und euch dann aufzuteilen, um verschiedene Dinge zu erledigen.
Die akute Unterstützungsarbeit soll sich an den Bedürfnissen der betroffenen Person(en) orientieren. Fragt sie, was gerade helfen würde und beginnt nicht damit die Person zuerst über Details auszufragen! Bietet eventuell Optionen zur Auswahl an, falls die Person überfordert ist und nicht sagen kann, was ihr gerade guttun würde.
Parteilichkeit mit der betroffenen Person und Solidarisierung mit der marginalisierten Position sind zentral.
Was tun in schwierigen Situationen oder bei Überforderung
Gib Awareness-Verantwortung ab, bevor du deine eigenen Grenzen überschreitest und auch wenn du merkst, dass du Betroffene gerade nicht parteiisch unterstützen kannst. Dafür sind wir in den Schichten immer vier Personen und im Notfall kann auch noch Unterstützung vom Awareness Kernteam angefordert werden, welches regelmäßig ansprechbar ist.
Im Awareness-Zelt liegen Listen mit Telefonnummern von Organisationen, die ihr bei Beratungsbedarf kontaktieren könnt. Auch die Materialien auf dem Awareness-Tisch können in manchen Situationen weiterhelfen.
Nachbereitung
Macht am Ende eurer Schicht eine kurze Blitzlicht-Runde: wie geht es euch, was muss ins Awareness-Treffen getragen werden. Idealerweise berichtet mindestens eine Person jeder Schicht (gerne auch mehr) bei unserem kurzen Abendtreffen. Außerdem gibt es das Angebot am Samstag (nach der Demo) gemeinsam eine Gesamtauswertung zu machen.
Das Awareness-Kernteam kümmert sich um die täglichen Treffen und versucht den Überblick zu behalten. Außerdem plant es eine Auswertung der Awareness-Arbeit in die Orga-Strukturen des Camps zurück zu tragen.
Was Awareness-Arbeit nicht ist/nicht bieten kann
– 100% Schutz bieten
– Mediation bei Streit (Mediation ist unparteiisch, A-Arbeit ist parteiisch mit Betroffenen)
– langfristige Unterstützung über das Camp hinaus
– 24/7 ansprechbar zu sein
– Präsenz außerhalb des Camps bei Aktionen oder der Demo
Die Awareness-Struktur ist auf Mitarbeit von ALLEN angewiesen.
Was Bedeutet Awareness für uns – Kernthesen
1. Awareness bedeutet einen achtsamen und respektvollen Umgang miteinander und insbesondere mit Betroffenen jeder Form der Grenzüberschreitungen und Diskriminierungen in Form von Unterstützungsarbeit.
2. Awareness-Arbeit erfordert eine kollektive Verantwortungsübernahme, also die Anerkennung, dass Übergriffe und Diskriminierung auch auf der eigenen Veranstaltung stattfinden kombiniert mit der Bereitwilligkeit bei Vorfällen zu handeln.
3. Für Awareness Arbeit ist eine Auseinandersetzung mit den eigenen Privilegien, Machtverhältnissen, auch innerhalb der Orga-Strukturen, sowie mit verschiedenen Diskriminierungs- und Gewaltformen im Sinne einer Selbstreflexion unabdingbar.
4. Die Krisenintervention ist betroffenenzentriert und bedürfnisorientiert. Es gilt das Kommunikationsprinzip aktives Zuhören. Dabei soll ein Raum gestaltet werden, in der der betroffenen Person zugehört und sie mit der erlebten Erfahrung ernst genommen wird. Die Definition des Erlebten liegt dabei bei der betroffenen Person.
Dabei ist uns bewusst, dass Krisen von verschiedenen gesellschaftlichen Machtverhältnissen geprägt sein können und auch wir als Awarenessteam darin positioniert sind. Wir versuchen Betroffenheiten nicht gegeneinander auszuspielen.
5. Hauptziel der Krisenintervention ist es, dass betroffene Personen ihre Handlungsfähigkeit zurückerlangen (Selbstermächtigung) und sich auf der Veranstaltung sicherer fühlen (subjektives Sicherheitsempfinden stärken). Schutz kann auch dadurch erreicht werden, dass die gewaltausübende Person vom Camp verwiesen wird.
6. Auf Veranstaltungen mit einer begrenzten Dauer bedeutet dies vor allem Krisenintervention für betroffene Personen, da nachhaltige transformative Arbeit mit der diskriminierenden gewaltausübenden Person im Kontext von Camps meistens nicht geleistet werden kann, da der Ort nicht dauerhaft existiert (im Gegensatz zu Wohnprojekten, Kulturzentren, Freund*innenkreisen etc.). Trotzdem ist es uns als Bündnis wichtig, dass das Verhalten gewaltausübender Personen nach dem Camp innerhalb der eigenen Strukturen weiterhin aufgearbeitet wird.
7. Präventionsarbeit (Aufklärung, Bildungsarbeit, Vermittlung der eigenen Grundsätze, Transparenz) soll vor und während der Veranstaltung z. B. über Plakate auf dem Gelände, der Campordnung, Workshops etc. betrieben werden.
8. Das Awareness Team verübt eine fordernde Tätigkeit; Selfcare und die Achtung der eigenen Grenzen sind daher äußerst wichtig.
[1]) Wenn ihr euch zusammen für eine Schicht eingetragen habt UND eine eingespielte Kleingruppe seid, die schon öfter gemeinsam Awareness-Arbeit gemacht hat, könnt ihr gerne selber entscheiden, ob ihr morgens alle kommt oder nur eine Person delegiert.