Der Kampf gegen Militarismus und Krieg braucht eine feministische Perspektive auf Befreiung: Krieg und patriarchale Gewalt sind aufs Engste miteinander verwoben. Die feministische Antwort darauf ist Aufwiegelung und Verrat! Aufwiegelung gegen und Verrat an der militärischen Logik als zentrales Moment von patriarchalen und kapitalistischen Strukturen. Antimilitaristische Positionen sind nur konsequent, wenn sie das Patriarchat in Frage stellen. Dies muss sich in unseren Argumenten gegen den Krieg ausdrücken. Zudem müssen patriarchale Strukturen in unseren eigenen Bewegungen hinterfragt und verändert werden.
Gewalt existiert nicht nur in militärischen Angriffen und Feldzügen, sondern ist Normalzustand in patriarchalen Gesellschaftsstrukturen. Frauenfeindliche Gewalt, Feminizide, Vergewaltigungen und „private“ Gewalt sind von ihrem Ausmaß her ein unerklärter Krieg gegen Frauen*. Krieg und Besatzung bedeuten immer die extreme Verschärfung patriarchaler Gewalt und Rollenmuster. Die massenhafte Vergewaltigung von Frauen als Kriegsstrategie zieht sich durch die gesamte Geschichte. Gleichzeitig kann es Vergewaltigung als Kriegswaffe nur geben, weil Vergewaltigung zum patriarchalen Alltag gehört. Ohne den Blick auf diesen Alltag und seine staatliche Gewalt gibt es keine Analyse von Krieg. Das chilenische Kollektiv Las Tesis hat das 2019 in ihrer Performance prägnant zusammengefasst: „Es sind die Bullen, die Richter, der Staat, der Präsident – der unterdrückerische Staat ist ein vergewaltigender Macho“. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich der feministische Aufschrei, die getanzte Wut. Nicht nur im Aufstand gegen jahrzehntelange neoliberale Gewalt und staatlichen Terror in Chile.
Hinzukommt, dass sich kapitalistische Gesellschaften mit jeder militärischen Aufrüstung weiter in Richtung eines verinnerlichten militaristischen Denkens und Handelns entwickeln. Das drückt sich in zunehmender Gewalt gegen Frauen und Queers aus, aber auch die Ausbeutung der Natur scheint notwendiger und wird dadurch legitimiert: Es gibt nur noch ein entweder-oder, ein dafür oder dagegen. Als Feminist*innen stehen wir entschieden gegen jede Aufspaltung in ein „Wir“ und „die Anderen“. Diese Aufspaltung ist die Voraussetzung nicht nur für patriarchale Zuschreibungen, sondern auch für jede Form von Rassismus, für Nationalismus und Abschottung, für Militarisierung und Krieg. Eine feministische Perspektive antimilitaristischer Politik verbindet soziale und ökologische Fragen, Geschlechterverhältnisse und -zuschreibungen, Gewalt gegen Frauen und Queers, Hierarchisierung von Menschen, und macht den Alltag zum Themenfeld unserer Politik. Hierbei ist es für uns als Feminist*innen in Westeuropa grundlegend, dabei auch eine antikolonialistische Perspektive einzunehmen. Der westeuropäische Alltag mit seinem Wohlstand ist auf der Ausbeutung kolonialisierter Länder und Menschen aufgebaut. Diese Kopplungen werden wir sichtbar machen – auch in unseren Aktionen.
Eine Perspektive ist für uns der Aufbau einer befreiten Gesellschaft in Rojava/Nordostsyrien. Dort ist der Versuch konkret fassbar. Die Selbstverteidigungskräfte YPG und YPJ haben dort die islamistischen Kräfte besiegt und kämpfen nun gegen die neo-osmanischen Großmachtinteressen der türkischen Regierung unter Recep Tayyep Erdoğan. Der Präsident eines NATO-Landes führt seit dem 17. April 2022 erneut einen brutalen Angriffskrieg gegen die kurdischen Gebiete in Syrien und Nordirak – mit Drohnen und Raketenangriffen, mit Giftgas. Hier gibt es jedoch keinerlei gesellschaftlichen Aufschrei und fast keine mediale Aufmerksamkeit. Wenn Erdoğan behauptet, „Terroristen“ präventiv zu bekämpfen, wird das von Annalena Baerbock mitgetragen, die seit Amtsantritt ihre Außenpolitik demagogisch als eine feministische vertritt. Auch Schweden verrät nun unsere dort lebenden kurdischen Freund*innen, um den zukünftigen Partner Türkei im Kriegsbündnis NATO nicht zu verprellen.
Trotz des ständigen Kampfes der kurdischen Bewegung gegen den Terror des türkischen Staates sind basisdemokratische Prozesse im Gang: für eine ökologische, feministische und antikapitalistische Zukunft unter Partizipation der breiten Bevölkerung. Die Menschen in Rojava, die unter gleichberechtigter Beteiligung der Frauen eine geschlechterbefreite Gesellschaft aufbauen, brauchen dringend unsere entschiedene, feministische Solidarität!
Die Verbindung zwischen Krieg und der Militarisierung gesellschaftlicher Verhältnisse, die in einer extremen Zunahme von Vergewaltigungen und Feminiziden gipfeln, muss aufgezeigt werden. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar und vor allem nicht angreifbar. Kolonialismus, Rassismus und Nationalismus sind Ausdruck einer patriarchalen gewalttätigen Herrschaftsordnung: Dagegen steht unsere internationale Solidarität und das Zusammenkommen der Kämpfe – auch wenn die jeweiligen Bedingungen unterschiedlich sind. Lasst uns gemeinsam gegen Militarismus und Krieg auf die Straße gehen und unsere Angriffsziele wählen: Für eine geschlechterbefreite Gesellschaft, für Basisdemokratie, für Ökologie und Klimagerechtigkeit. Gegen alle Grenzen. Gegen alle Imperien. Gegen alle Kriege!
Kommt zum Camp in Kassel von RheinmetallEntwaffnen vom 30. August bis 4. September 2022! Bringt eure Erfahrungen, Ideen und eure Sehnsucht nach Befreiung mit. Teilt mit uns Kollektivität, Bildung, Diskussion, Vernetzung und: widerständige feministische Aktionen gegen die Rüstungsproduktion mitten in der Stadt!
Autonom feministische Organisierung im Bündnis Rheinmetall Entwaffnen
*Der Begriff Frauen wird hier nicht biologisch genutzt. Die politische Nutzung des Begriffs „Frauen“ ist notwendig aufgrund der direkten und strukturellen Gewalt im Patriarchat, die aufgebaut ist auf „Zweigeschlechtlichkeit“ und der entsprechenden Zurichtung. Die beschriebenen Gewaltstrukturen im Patriarchat richten sich auch gegen Personen, die nicht in eine Zweigeschlechtlichkeit passen (wollen).