Rede zum 15. Mai: Solidarität mit allen Deserteur*innen!

Redebeitrag von Rheinmetall Entwaffnen Rhein-Main zur Veranstaltung anlässlich des Tags der Kriegsdienstverweigerung in Frankfurt am Main mit ukrainischen und russischen Kriegsdienstverweigeren

Die Desertionen und Kriegsdienstverweigerungen in den Kriegen dieser Welt machen uns Mut und Hoffnung. Die Denunziation als „Fahnenflucht“, wer nicht am Morden im staatlichen Auftrag teilnehmen will, nehmen wir gerne an. Das mit dieser Verweigerung verbundene „Nein“ zu Gehorsamkeit und „Nein“ zu autoritärer Fügung birgt ein widerständiges Potential in sich, das alle Kriegsherren fürchten. Denn wer desertiert, wer sich dem Krieg und seiner Grausamkeit entzieht, wer dabei aus politischen oder persönlichen Gründen nicht mitmacht, sagt – ob bewusst oder unbewusst – auch den damit verbundenen Herrschaftsverhältnissen und vermeintlichen Tugenden den Kampf an! Wer desertiert, verrät den Krieg und die mit ihm verbundenen Machtstrukturen!

Wer sind die Profiteure der Kriege um Ressourcen und Macht? Weder die Bevölkerung hier und schon gar nicht die Menschen, deren Länder zu Schlachtfeldern werden. Zerstörte Infrastruktur, Schulen, Krankenhäuser, Strom und Wasserversorgung, unzählige Tote unter der Zivilbevölkerung. Sinnloses Sterben abertausender junger Menschen. Verseuchte und verminte Böden verursachen Tote und Verletzte lange nach Beendigung der Kampfhandlungen und fördern Hunger und Elend. Also: Nein – wir haben kein Interesse am Krieg. Weder im Jemen noch in Kurdistan, weder in Gaza noch in der Ukraine – und auch nicht hier bei uns. Deswegen steht Rheinmetall Entwaffnen nicht auf der Seite nationaler Kriegsparteien, sondern an der Seite derjenigen, die Opfer reaktionärer Kriegspolitik sind, die weltweit vor Kriegen flüchten, und auch auf der Seite derjenigen, die Kriege verraten: Auf der Seite der Deserteur*innen, auf der Seite der Verweigerer*innen und auf der Seite der Saboteur*innen. Wer sich dem Krieg entzieht, entzieht sich damit nicht nur rassistischen, nationalistischen und klassenspezifischen Bedingungen, sondern stellt sich damit im Endeffekt auch gegen patriarchale Männlichkeitsbilder. Allzu oft werden Deserteur*innen als Feiglinge und Angsthasen beschimpft. Wer sich all der Repression zum Trotz nicht einziehen lässt oder von der Front flieht, der folgt grundlegenden menschlichen Werten. Kriegsverherrlichung wie der jetzt angesetzte nationale „Veteranentag“ und Soldatentum hingegen basieren auf der Aberziehung von Menschlichkeit und der autoritären Unterwerfung für eine höhere Sache: Dem eigenen Leben und dem Leben des Gegenübers wird der persönliche Wert entzogen. Soldatentum basiert auf der Härte gegen sich selbst und gegen Andere. Wenn erst einmal die menschliche Empathie und Beurteilungskraft verloren gegangen ist und die Verantwortung für das eigene Handeln an die Autoritäten abgegeben wurde, kann die alltägliche Gewalt, können die Grausamkeiten des Krieges stattfinden, die in den Debatten um Kriegsverbrechen lediglich ihren Höhepunkt finden. „Tapferkeit“, „Heldentum“ oder „ewiger Ruhm“ sind die zentralen Begriffe. Durch diese kriegsverherrlichende Sprache vom Töten und Morden wird entgrenzte Gewalt als etwas Positives beschrieben. Und diese Gewalt wird in der Regel von Männern ausgeführt oder Männern zugeschrieben. Frauen hingegen sind Opfer von Kriegen oder werden als primär so wahrgenommen. Patriarchale Gewalt und Rollenzuschreibungen verschärfen sich explosionsartig in Kriegssituationen. Sexualisierte Gewalt, wie auch Vergewaltigungen, die Alltag in patriarchalen Gesellschaften sind, werden nun darauf zurückgreifend und aufbauend massenhaft als Kriegswaffe eingesetzt.

Unsere feministische Perspektive auf Krieg und Militarisierung beinhaltet deswegen den positiven Bezug auf das Desertieren. Anstatt durch Kämpfen als Mann für das Vaterland, Frau und Kinder und für eine sinnlose größere Sache zu sterben, übernimmt eine desertierende Person Verantwortung für das Leben. Für uns heißt die Parole „Den Krieg verraten!“ zu desertieren und Krieg und Aufrüstung zu sabotieren. In Deutschland und in vielen anderen Ländern werden aktuell Milliarden in die Aufrüstung und die Kriegsproduktion gepumpt, Gelder, die wir viel besser verwenden könnten für öffentliche Infrastruktur, für Gesundheitsfürsorge und Bildung, für die Bekämpfung von Armut und Obdachlosigkeit, für den Kampf gegen die Klimakatastrophe.

Die Militarisierung der Gesellschaft bedeutet nicht nur, dass mehr als zehn Prozent des kommenden Bundeshaushalts in das Militär und die Rüstungskonzerne fließen sollen. Die permanente mediale Kriegshetze verändert das gesellschaftliche Denken. Die Propaganda von der „Verteidigung der westlichen Freiheit“ gegen aggressive Autokraten, Islamisten und andere Schurken lässt Krieg als unvermeidlich erscheinen. Das Militärische bestimmt das politische Handeln. Die Militarisierung geht Hand in Hand mit innerer Aufrüstung und Repression. Immer neue Polizeiaufgaben und Versammlungsgesetze und dazu eine Polizei, welche immer militärischer ausgerüstet wird, sollen für ein ruhiges Hinterland sorgen. Wir müssen Kriege stoppen, die jetzigen und die kommenden.

Das zehntausendfache Morden in Palästina und in der Ukraine muss sofort beendet werden. Der Wettstreit zwischen angeblich liberalen gegen die autoritären kapitalistischen Staaten ist im vollen Gange und droht zur militärischen Konfrontation zu eskalieren. Die Bosse der Rüstungsindustrie und die Politiker*innen werden nicht die Rechnung zahlen. Es braucht Widerstand gegen diese Kriegspolitik und ein aktives Einbringen für sinnvolle gesellschaftliche Veränderungen. Für eine Welt, in der nicht die Profite bestimmen, sondern für eine befreite und solidarische Welt ohne Ausbeutung und Krieg.

Rheinmetall Entwaffnen macht dieses Jahr wieder ein antimilitaristisches Camp und antimilitaristische Aktionstage. Diesmal in der Marine- und Rüstungsstadt Kiel vom 3. bis 8. September. Ihr seid alle herzlich eingeladen mit uns gemeinsam dies zu einem großem Ereignis gegen die Kriege und Aufrüstung zu machen!

Lasst uns den Krieg verraten!
Hoch die internationale Solidarität!

Gespräch mit Osama Elewat und Rotem Levin von Combatants for peace

Am 24. Januar 2024 fand eine gut besuchte Veranstaltung in der Evangelischen Akademie in Frankfurt/Main mit zwei Aktivisten der israelisch-palästinensichen Gruppe Combatants for peace statt. Wir von Rheinmetall Entwaffnen RheinMain waren zusammen mit kirchlichen Gruppen, der DFG-VK und Connection e.V. Veranstalter:innen.

Die Veranstaltung fand vor 200 Zuhörer:innen in der Evangelischen Akademie Frankfurt statt und wurde live gestreamt. Dieser viel geteilte Stream wurde – anders als angekündigt – nach wenigen Tagen von der Ev. Akademie vom Netz genommen. Begründet wurde das mit der öffentlich nicht erläuterten Behauptung, „dass die Veranstaltung antisemitischen Narrativen Vorschub geleistet habe.“ Später hieß es, insbesondere „Äußerungen von Osama Elewat und Rotem Levin, die den Staat Israel als Apartheidsstaat kennzeichnen, gegen den Widerstand nötig ist.“ (Antwort aus der Ev. Akademie)
Konkret ging es darum, dass die Lebensumstände der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland unter der israelischen Besatzung als Apartheid beschrieben wurden.

Der Vorwurf des Antisemitismus gegen die Freunde von Combatants for peace ist unsäglich und darüber hinaus für die Beiden, die ja nach Israel zurückkehren, bedrohlich.

Das Löschen des Streams hat kein Alleinstellungsmerkmal, das politische Klima in Deutschland unterdrückt zunehmend eine freie Meinungsbildung.

Macht euch ein eigenes Bild: Es gibt eine Mitschrift der Veranstaltung, die auch von den beiden Referenten autorisiert wurde. Die Mitschrift wurde von uns übersetzt, beides veröffentlichen wir hiermit. In Kürze erscheint das Gespräch mit Reden, Fragen und Antworten auch als Broschüre sowohl in deutsch wie in englisch.

Download: deutschenglisch