Wir werden keine Hierarchie des Leidens akzeptieren, wie sie uns täglich vorgesetzt wird und – schon so lange wir denken können – serviert wurde. Wenn Menschen sterben, weil eine Nation oder Bevölkerungsgruppe die Macht hat, die ultimative Gewalt des Krieges über eine andere zu entfachen, wenn Menschen vergewaltigt, verstümmelt und ermordet werden, ist es ein Tragödie. Wenn die sogenannte internationale Gemeinschaft dabei zuschaut und die Peiniger gewähren lässt oder das Unheil sogar politisch und militärisch unterstützt, um die eignen Interessen durchzusetzen oder zu wahren, dann ist das die moralische Bankrotterklärung eben dieser Gemeinschaft. Das gilt für den Gazakrieg ebenso wie für den Krieg um die Ukraine und viele andere gegenwärtigen und vergangenen Kriege, und für die Gräueltaten, die im Namen des vermeintlich notwendigen Sieges verübt wurden.
Es gilt auch für das selbstverwaltete Nordostsyrien. Aber Rojava, wie die Region auf Kurmanji genannt wird, ist nicht nur eine humanitäre Tragödie, an der sich der Westen ergötzt als wäre er Gast in einer Theateraufführung. Rojava, die Selbstverwaltung und die kurdische Freiheitsbewegung sind unsere politischen Verbündeten. Sie sind unsere Vorbilder. Sie sind der Adressat unserer politischen Solidarität. Sie sind in unseren Herzen und unseren Köpfen.
Es ist mittlerweile zehn Jahre her: Am 3. August 2014 verübte der IS im Shengal-Gebirge in Nordirakisch-Kurdistan einen Genozid gegen die Religionsgemeinschaft der Jesid:innen. Es starben Zehntausende; Hunderttausende mussten fliehen. In einer aussichtslosen Situation, gegen den immer näher rückenden IS, kämpften die YPG/YPJ und die PKK gemeinsam einen Korridor frei und retteten damit schätzungsweise 30.000 Jesid:innen das Leben. Es war nicht die vielbeschworene internationale Gemeinschaft mit ihren angeblichen Werten. Es waren diejenigen, die von dieser ehrenwerten Gemeinschaft als Terroristen diffamiert und in vielen Fällen als solche vor deutschen Gerichten verurteilt wurden und immer zahlreicher verurteilt werden. Die verbissene Repression des deutschen Staates gegen sie ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Repression gegen die Menschlichkeit.
Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt
Im Talmud heißt es, dass wer auch nur ein Leben rettet, die ganze Welt rettet. Die PKK hat schon tausend Welten gerettet. Und genau deshalb wird sie so sehr gehasst. Inmitten des Leids, des Todes und der Zerstörung, die die negative Maschine des globalen Kapitalismus produziert, zeigt uns die PKK, dass es ein Prinzip des Lebens, der Solidarität und der gegenseitigen Hilfe gibt, das bedingungslos ist. Es basiert nicht auf Parametern von Ethnizität und Herkunft und seine Logik liegt nicht darin begründet, Macht zu erhalten oder Einfluss auszubauen, sondern darin, menschlich zu sein und zu bleiben, auch wenn die Welt über uns einstürzt.
Bereits seit einigen Jahren wird in der kurdischen Bewegung das analytische Konzept des Dritten Weltkriegs diskutiert. Es besagt, dass der hybride Krieg, der verschiedene Dimensionen umfasst, zwischen den globalen Hegemonialmächten – solchen die es bleiben und solchen, die es werden wollen – stattfindet, und dass dessen Zentrum im gesamten Mittleren Osten liegt. Noch vor einigen Monaten haben viele von uns an dieser Einschätzung viel Kritik geübt. Aber der Krieg in Gaza und die Entwicklungen, die er ins Licht gerückt hat, haben uns eines Besseren belehrt. Nun ist es offensichtlich: Die globale Krise des Kapitalismus manifestiert sich im Chaos des Mittleren Ostens. Die Weitsicht der Bewegung und die analytische Schärfe sind genauso groß wie ihr Herz.
Der politische Kern der kurdischen Freiheitsbewegung und damit der Grund für ihre politische Attraktivität liegt in ihrem Konzept von Demokratie und Freiheit, die jenseits des Staates und über ihn hinaus gedacht sind. Die Aufteilung von Machtbereichen in Nationalstaaten und die Ideologisierung der nationalen Frage, haben den Weg ins Verderben gepflastert. Diese Idee und seine Materialisierung muss und kann überwunden werden. Das ist die Botschaft, die die Bewegung der Welt geschenkt hat. Es ist diese Kunst der Freiheit, die in die Bewegung übergegangen ist. Die demokratische Konföderation der Völker und Gemeinschaften ist der Horizont.
Deutschland war und ist Teil des Krieges gegen diese Freiheitsbewegung. Die BRD gibt politische Rückendeckung und leistet rüstungspolitische Unterstützung für den Drohnenkrieg in Rojava. Deshalb werden wir – gemeinsam mit allen, die unsere politische Verbundenheit zur Rojava-Revolution teilen – auch auf dem Rheinmetall-Entwaffnen-Camp in Kiel Aktionen gegen die rüstungspolitische Unterstützung Deutschlands für den Krieg in Rojava durchführen.
Nieder mit dem deutschen Imperialismus!
Es lebe Kurdistan!
Rheinmetall Entwaffnen, August 2024